Ausgabe vom: 30.10.2002

Leichen-Rochade im Vorstadtkino

"Taxi für eine Leiche": Neuer TV-Film von Wolfgang Murnberger (20.15 Uhr, ORF 2)
Wer jemals in einem original Wiener Vorstadt-Espresso war, kennt die Atmosphäre: Gelb-grünlich strahlendes Neonlicht, abgewohntes Mobiliar, wie Nebelschwaden anmutender Zigarettenrauch – ein Paralleluniversum mitten in Wien.

Vor dieser Kulisse spielt Regisseur Wolfgang Murnbergers jüngster TV-Film "Taxi für eine Leiche" (20.15, ORF 2): "Wir wollten einen nostalgischen Film machen", meint er.

Hermine, (Gertraud Jesserer), Besitzerin eines Vorstadtkinos, hat Sorgen genug: Das Kino läuft schlecht, die Kreditrate ist fällig, und Schorsch (Karlheinz Hackl), der Clark Gable der Wiener Oberkellnerszene, versteht ihre Sehnsucht nach dem einen, echten Kuss nicht. All dem nicht genug, sitzt dann noch eine Leiche in ihrem Kino, erdrosselt mit einer Krawatte.


Tod durch Kravatte

Alles deutet auf den "Krawattenmörder" hin. Doch weil Hermine dem Opfer Geld schuldete, hat sie Angst, ebenfalls verdächtigt zu werden. Also muss der Schorsch her und die Leiche weg. Doch bis Schorsch endlich unter süßen Versprechungen bereit ist, die Leiche in den nächsten Beserlpark zu schaffen, ist diese längst verschwunden.

Auch Friseuse Lotte (Brigitte Kren) könnte etwas mit dem Mord zu tun haben: Sie hat den alten Herrn ins Kino begleitet – Greifen inklusive, Grapschen kostet extra. Oder Lottes eifersüchtiger Ehemann Wurli (Karl Fischer), der versucht, seine Frau im Zaum zu halten.

Und dann gibt es da noch Gabriel (Lars Rudolph), der mit seiner Vorliebe für getragene Damenunterwäsche Kunde der Lotte und der Wiener Psychiatrie ist. "Die Konstellation des Quartetts hat sich als ideal erwiesen. Zu zwei Partnern kommt dann immer noch ein Störer", meint Murnberger über seine Figuren. Das Drehbuch stammt ebenfalls von Murnberger, als Vorlage diente der Roman "Ende der Vorstellung" von der heimischen Autorin Edith Kneifl. Murnberger: "Wir haben lange überlegt, ob wir den Romantitel beibehalten sollen – und haben dann doch ,Taxi für eine Leiche‘ genommen, weil es so schön nach einem 50er-Jahre-Film klingt."


Letzter Schilling

Auch sonst wurde auf die historische Genauigkeit geachtet. So wird im Film noch in Schilling gezahlt: "Der Euro hätte da nicht gepasst." Die Dreharbeiten hat Murnberger anstrengend in Erinnerung: "Wir mussten in fünf Wochen fertig sein. Dazu muss man Ruhezeiten einhalten – letztendlich haben wir ausschließlich in der Nacht gedreht – jeden Tag bis sieben Uhr am Morgen." Hauptdarstellerin Gertrud Jesserer sieht dies als förderlich für ihre Rolle: "Zeigen Sie mal eine 58-Jährige um fünf Uhr in der Früh. Der Kameramann hatte es schwer. Aber die Hermine soll ja eh nicht wie das blühende Leben aussehen."


Zur Person

Preise und trotzdem Zuschauer

Wolfgang Murnberger brauchte keine Anlaufzeit für den Erfolg beim Publikum. 1960 in Wiener Neustadt geboren, studierte Murnberger Regie, Drehbuch und Schnitt an der Wiener Filmakademie. Bereits sein Abschlussfilm "Himmel und Hölle" schaffte es in die österreichischen Kinos und wurde mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Für "Ich gelobe" – eine Tragikkomödie über einen Wehrdiener beim österreichische Bundesheer – wurde Murnberger sogar für den Auslandsoscar nominiert.

Den bisher größten Publikumserfolg in Österreich hatte der Filmemacher im Jahr 2000 mit der Verfilmung des Wolf-Haas-Krimis "Komm, süßer Tod". Josef Hader spielt darin die Hauptrolle. 225.000 Kinobesucher verzeichnete die Krimikomödie aus der Wiener Sanitäter-Szene.

"Uniformen verfolgen mich scheinbar ein bisschen", lacht Murnberger. Denn in seinem nächsten Projekt geht es um Talare: 2003 beginnen die Dreharbeiten zu "Silentium", ebenfalls ein Wolf-Haas-Krimi.
Judith Denkmayr

Alle Nachrichten dienen der persoenlichen Information. Eine Weiterverwendung und Reproduktion, ueber den persoenlichen Gebrauch hinaus, ist nicht gestattet, alle Rechte liegen bei Kurier online.
Copyright 2002